29. September 2012

Rufus und die Medien

Es gibt Journalisten, die bringen es fertig, Rufus Wainwright als selbstverliebte Diva darzustellen. Ich habe den Verdacht, dass da eine ordentliche Portion Zynismus dahintersteckt. Nun gibt es so einiges auf der Welt, das bei einem kritischen, sensiblen Beobachter zurecht Zynismus heraufbeschwört. Rufus Wainwright gehört nicht dazu.

Die wahren Diven des Showbiz beantworten heutzutage keine Frage mehr, ohne dass diese vorab übermittelt, vom Management geprüft, die Antwort mit dem Management abgesprochen und am besten noch von einem Anwalt abgesegnet wurde. Und wehe, ein Interviewer weicht mal ein wenig vom Schema ab. Dann ist sofort Schluss.

Im Gegensatz dazu ist Wainwright jemand, mit dem man sich normal unterhalten kann. Er ist offen und ehrlich und man muss ihm nicht alles aus der Nase ziehen. Man wirft ihm allenfalls ein paar Stichworte hin und erhält intelligente, ausführliche, interessante Antworten, in denen auch der Humor nicht zu kurz kommt. Er erzählt bereitwillig, was es Neues gibt. Dafür treffen sich die Interviewer doch mit ihm - und profitieren von seiner Redseligkeit.

Man sollte meinen, Rufus ist geradezu der Traum aller Interviewer. Natürlich nur, wenn diese ehrlich an ihm interessiert sind. Ansonsten sollen sie lieber dümmliche Popsternchen interviewen.

Sicher, Wainwright mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Er weiß, dass er was kann, und macht keinen Hehl daraus. Er soll einmal gesagt haben, das einzige, das schlimmer sei als Arroganz, sei falsche Bescheidenheit. Rufus war gerademal 14 Jahre alt, als er seinen ersten selbstgeschriebenen Song herausbrachte - selbst gesungen in einem kanadischen Jugendfilm - und dafür für den Genie-Award nomminiert wurde. Es heißt, seine Mutter (bekanntermaßen selbst erfolgreiche Musikerin) sei sein größter Fan, aber auch seine größte Kritikerin gewesen. Sie brachte ihm bei, sich selbst realistisch einzuschätzen.

Vielleicht hat es ja auch damit zu tun, dass man in der Scheinwelt des Showbiz jemanden wie Rufus nicht gewohnt ist. Möglicherweise kann sich Mancher - vor allem, wenn er sich einen gewissen zynischen Blick auf die Dinge zu Eigen gemacht hat - nicht vorstellen, dass Wainwright tatsächlich echt ist.

Erfreulicherweise habe ich auch schon den Bericht eines Interviewers lesen dürfen, der beschrieb, wie Wainwright es mühelos schafft, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, in der man das Gefühl hat, keinem Fremden, sondern einem Freund gegenüber zu sitzen.

Für Berufszyniker ist Rufus Wainwright eine selbstverliebte Diva. Für alle anderen einfach herzerfrischend.

Hier ist Teil 1 von 4 eines Interviews im Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin:
http://www.youtube.com/watch?v=tks1vK_WbSs